Das Bindungsbedürfnis von Mensch und Tier ist das empirisch durch die Bindungsforschung am besten abgesicherte Grundbedürfnis. Wesentliche Erkenntnis betreffend die Psychotherapie: Zwischenmenschliche Aspekte sind die
Hauptursache psychischer Störungen (mangelnde Resilienz). Bindungsmuster sind lebenslang eingeschliffene Gedächtnisinhalte und stellen im Falle des Mißlingens eine hohe psychische Verletzlichkeit (Vulnerabilität) dar. In neurobiologischen Untersuchungen konnte bestätigt werden, daß frühkindliche Beziehungserfahrungen die Gehirnentwicklung stark beeinflussen und so Grundsteine für spätere Beziehungsfähigkeit und Stresstoleranz gelegt werden.
Das Kleinkind verinnerlicht seine frühen Beziehungserfahrungen = sie schlagen sich im impliziten Gedächtnis (limbischen System) in Form von Wahrnehmungs-, Verhaltens-, emotionalen- und motivationalen Reaktionsbereitschaften nieder, z.B. Trost im Schoß der Mutter führt zur Ausschüttung körpereigener Opiate = führen zu Gedächtnis fördernden neuronalen Prozessen = gut gebahnte Reaktionsmuster hemmen die Lebensgrundängste und wirken gleichzeitig hemmend auf aggressives Verhalten. Kinder, die diese positiven Bindungserfahrungen nicht machen, haben ein chronisch erhöhtes Stressniveau welches unter anderem zu einer Dysregulationen im Sertonin-Stoffwechsel führt. Sie sind später viel schwerer zu beruhigen, können später negative Emotionen viel schlechter regulieren und reagieren aggressiver in Alltagsituationen.
Schema: Entstehung von niedrigem Selbstwertgefühl
- Bindungsbedürfnisse werden nicht befriedigt
- Das Kind verarbeitet seine Erfahrungen so, daß es nicht wert sei, besser behandelt zu werden
- Trügerische Hoffnung bleibt: Ich kann es ändern. Folge: Gewisses Gefühl von Kontrolle
- Selbstwerterhöhende Gedanken + Handlungen werden durch Vermeidungsschemata abgeblockt
- Führen zu Vermeidungszielen (Befürchtetes soll nicht eintreten)
- Vermeidungsziele erfordern dauernde Kontrolle
- Die dadurch gebundene Energie fehlt für die Bewältigung positiver Herausforderungen (= hemmender Einfluss)
- Folge: positive Emotionen in Form von Zufriedenheitsgefühlen durch erreichte Ziele bleiben aus
Genetische und psychosoziale Aspekte bei der Prägung emotionaler Schemata
Verstärkte Tendenz zu negativen Emotionen bei Kombination ungünstiger Anlagen mit schlechter Bindungsbeziehung:
a) genetisch z.B Serotonin-Transporter Gen (ausgleichend, beruhigend) zu gering = Folge das Kind stellt höhere Anforderungen an die Eltern und ist schwerer zu beruhigen
b) psychosozial z.B. unsicherer Bindungsstil der Mutter
Wenn beide Risiken zusammentreffen besteht eine hohe Gefahr ungünstiger Entwicklung, weil das Kind einerseits zu viel Zuwendung von der Bezugsperson fordert, andererseits die Bezugsperson z.B. die Mutter aus eigener Problematik heraus wenig Zuwendung geben kann. Es kommt zwangsläufig zu permanenten Inkongruenzerfahrungen (auch bei der Mutter) hinsichtlich Bindung, Kontrolle, Lustgewinn, Selbstwerterhöhung.
Als Folge verfestigen sich die Grundlagen für emotionale Schemata im impliziten Gedächtnissystem (limbisches System) in ungünstiger Weise. Es kommt zu problemorientierten synaptischen Bahnungen in Form automatisierten neurophysiologischer Regelkreise.
Weitere Folgen sind:
- Trend zur intrapsychischen Dysregulation
- Sensitivierung für negative Ereignisse
- Immer übertragungsbereitere Synapsen (es braucht immer weniger, sie auszulösen)
- Die mit negativen Emotionen befassten Hirnregionen entwickeln sich besonders gut
- Negative Emotionen können durch immer mehr Reize ausgelöst werden Generalisierung) = niedrige Stresstoleranz, niedrige Stressbewältigung Grundlagen motivationaler Schemata im impliziten Gedächtnissystem
- Kind erlebt starke Inkonsistenzspannungen
- Bildet Grundlage für Vermeidungslernen
- Entwicklung von Vermeidungszielen, Vermeidungsschemata = nicht auf Annäherung ausgerichtet Folge ist schlechte Bedürfnisbefriedigung und Erfahrungen der Unkontrollierbarkeit, unsicherer Bindungsstil (Rückzug), verminderter Lustgewinn, Selbstwertproblematik
Auch in Bezug auf andere unbewusste Prozesse (z.B. Informationsverarbeitung und Motivationsbildung) geht man in der Neuropsychotherapie davon aus, daß das Entstehen vieler psychischer Erkrankungen aufgrund eines sich gegenseitig verstärkenden Zusammenspiels genetischer, psychosozialer sowie umwelts- und gesellschaftsbezogener Aspekte erklärbar ist.
Dies kann, sofern keine entgegen gesetzten Lebenserfahrungen Raum finden, in einer Negativspirale zu einem festgefahrenen Rollen- und Lebensmuster werden, welches im Erwachsenenleben die Tendenz hat, sich auf viele Kontexte auszudehnen. (Literaturhinweis: Neuropsychotherapie, K. Grawe, Hogreve Verlag).
Die Psychotherapie kann helfen, diesem pathologischen Kreislauf entgegenzuwirken. Im NLP gibt es viele Interventionsformate, ( z.B. Timelinearbeit und Ressourcenversorgung) um mangelndes Selbstwertgefühl und dysfunktionale Prozesse, verursacht durch negative Bindungserfahrungen, therapeutisch aufzulösen.