In vielen andauernden Konfliktsituationen z.B. bei einem Scheidungsverfahren oder einer länger schwelenden zwischenmenschlichen Problemkonstellation im beruflichen Bereich z.B. bei Mobbing neigen Menschen dazu, den Gegenüber abzuwerten,
indem sie ihn durch entsprechende Wahrnehmungsverzerrungen, daraus folgenden Schuldzuweisungen und Moralisierungen als „böse“ konstruieren.
Dies ist einerseits nachvollziehbar, da unser Gehirn mit der Logik: „Ich gut- Du schlecht“ Begründungen für die Legitimation eigener (aggressiver)Gegenmaßnahmen sucht. Andererseits ist dadurch meist die Voraussetzung geschaffen, dass der Konflikt nicht mehr lösungsorientiert bewätigbar sein wird sondern in der Regel eskaliert.
Folgende Gedanken könnten (versuchsweise) eine Hilfe darstellen, durch eine veränderte Einstellung zum Gegenüber, Möglichkeiten zu einer emotional hilfreichen Haltung hinsichtlich einer Konfliktlösung zu bekommen, anstatt verbissen in die Eskalation zu gehen.
Kein Mensch ist in der Tiefe seines Wesens wirklich absolut böse. Das was uns manchmal beim Andern als bösartig oder schlecht erscheint, ist in Wirklichkeit ein tief verdrängter Schmerz durch emotionale Verwundungen, den ein Mensch nicht anders zu ertragen vermag, als ihn an Andere weiterzugeben.
Wenn sich jemand in einer Art und Weise benimmt, die wir als schlecht oder böse empfinden, ist es für die Meisten viel einfacher, selbst wütend zu werden, anstatt den Schmerz hinter dem Verhalten des Anderen zu erkennen. Dies ist nur schwer mit dem rationalen Denken zu erfassen, man muss es mit dem eigenen Herzen erspüren.
Diese Welt krankt an zuviel Wut/Gewalt und zuwenig Mitgefühl. Echte Resonanz ist nur möglich, wenn Menschen wieder stärker lernen, mit dem Herzen wahrzunehmen.
Als Einzelner die Welt ändern zu wollen hat geringe Aussicht auf Erfolg. Einfluss nehmen können wir jedoch in unserem persönlichen Lebensumfeld, im Besonderen bei Konflikten in der Familie, mit Freunden, Nachbarn etc., am Arbeitsplatz.
Dafür ist es wichtig, nicht nur auf das vordergründige Verhalten zu reagieren, sondern auch auf den Schmerz des Gegenübers, wenn dieser die tiefere Ursache seines „schwierigen“ Verhaltens ist. Viele Menschen streiten jedoch lieber (bleiben an der Oberfläche), als den Dingen auf den Grund zu gehen.
Jedoch nur unter der Oberfläche, in der Tiefe, werden die emotional wichtigen Aspekte sichtbar. Es kommt darauf an, den Schmerz zu erkennen, aus dem heraus ein Mensch sich verhält. Das Finden einer kooperativen Lösung setzt voraus, das Gegenüber differenziert wahrzunehmen, anstatt vorschnell auf sein Verhalten zu reagieren.
Sobald man den Schmerz des Anderen erkennt, öffnet sich das eigene Mitgefühl und man kann zu einer guten Lösung (sonfern diese möglich ist) beitragen, anstatt die Situation zu verschlimmern, indem man das verletzende Verhalten noch verstärkt.
Wenn Menschen dies nicht beachten, verletzen sie sich immer wieder gegenseitig. Zur Befriedigung ihres Schmerzes werden sie versuchen, eine Rechtfertigung für Ihre Wut zu schaffen und dies verstärkt den destruktiven Teufelskreis von Eskalation. In der zwangsweise folgenden Zerstörung zwischenmenschlicher Beziehungen lebt sich der verdrängte Schmerz aus, er löst sich dabei jedoch nicht auf, sondern wird größer und mächtiger.
Der Schmerz ist schließlich so stark, dass die Menschen ihre Verbundenheit und damit ihre Liebe zueinander nur noch in seltenen Augenblicken fühlen können. Überwiegend fühlen sie den Schmerz in der Tiefe ihrer Person und handeln unbewusst aus diesem Schmerz heraus.
Sie fühlen zwar, dass sie dabei nicht glücklich sind, wissen aber nicht wirklich den Grund dafür. Häufig wird auch der Körper in Folge dieser Lebenshaltung krank. Einer der möglichen Verstärker von Dispositionen zu chronischen Krankheiten liegt im permanenten neuronalen Stress, den nicht bewältigter Schmerz im menschlichen Organismus auslöst.
Genauso wichtig wie die Fähigkeit, die emotionalen Hintergründe von Konflikten zu beachten, ist es auch, das Gegenüber in seiner eigenen Verantwortung hinsichtlich seines Anteils der Problembewältigung zu lassen, die Geduld aufzubringen, sich schrittweise einer Lösung anzunähern, die die Bedürfnisse aller Beteiligter so weit wie möglich berücksichtigt.
Voreilige Ratschläge und Hilfsangebote stoßen häufig auf Desinteresse bzw. auch Ablehnung, wenn das Gegenüber sich bei der Lösungsfindung zu wenig berücksichtigt fühlt.
Lösungs-, Hilfs- und Unterstützungsangebote wirken meist nur, wenn das Gegenüber für die Hilfe offen ist. Versucht man einem Menschen zu helfen, der für die Hilfe noch nicht bereit ist, macht man für ihn alles nur schlimmer.
So können auch „gut gemeinte“ Interventionen negative Reaktionen hervorbringen, damit enttäuschend wirken und zu einer Verhärtung der Problematik führen.
Alle Konfliktlösestrategien und der Einsatz von Interventionstechniken zur Konfliktbewältigung setzen eine wertschätzende und lösungsorientierte Haltung voraus, um ihre Wirkkraft überhaupt entfalten zu können. Dies wird in Konfliktsituationen meist zu wenig berücksichtigt.