Speziell in Zeiten allgemeiner Verunsicherung, verursacht durch weltweite Krisen, wächst das Bedürfnis vieler Menschen nach mehr Kompetenz, das eigene Leben in den Griff zu bekommen. Im Rahmen dieses neuen gesellschaftlichen Trends zur

Selbstorganisation scheint die Fokussierung des „Ich“, nach den eher gruppenorientierten Wir-Bestrebungen der letzten Jahrzehnte, bei vielen Menschen wieder einen höheren Stellenwert zu bekommen..

Die Herausforderungen in Krisenzeiten rapiden Wandels bahnen einer neuen Selbstveränderungskultur den Weg mit dem Ziel in eine Selbstkompetenz. Neue Begriffe wie Selfness-Kultur und Ich-Engeneering stehen aktuell für die konsequente Arbeit am Selbst, in Form der kontinuierlichen Auseinandersetzung mit den eigenen Bedürfnissen, Fähigkeiten, Wertevorstellungen und Lebenszielen.

Das Thema Persönlichkeitsentwicklung durch Selbstveränderung als Mittel zur Selbstsicherheit bzw. Angstreduktion/Angstüberwindung nimmt zunehmend Raum im Bereich der Weiterbildung ein. Sich selbst zu begegnen, sich mehr und mehr „im eigenen Haus“ auszukennen, sichere Entscheidungen in komplexen Lebenssituationen treffen zu können,  ist zusätzlich zu dem Wunsch nach beruflicher Qualifikation Motiv vieler Menschen zur Teilnahme an entsprechenden Seminarangeboten im Erwachsenenbildungsbereich.

Die Sehnsucht, den lebenslangen Erfahrungs- und Reifeprozess in bester Weise zu unterstützen,  weckt die Motivation zum positiven emotionalen Umgang mit sich selbst und der umgebenden sozialen Welt. Die zunehmende Krise des Sozialstaates sowie der gesellschaftliche und berufliche Werte-Wandel verlangen vom Einzelnen flexible Lebensstrategien. Zentrale Botschaft ist: “Ich bin selbst für mich und mein Leben verantwortlich, Andere können das nicht für mich lösen.“

Das pragmatische Lösen von Lebensproblemen, die Gestaltung eines persönlichen Konfliktmanagements, die Erarbeitung tragfähiger Beziehungsstrukturen, das Erreichen einer Lebens-Balancierung unter dem Aspekt der Vereinfachung alltäglicher Anfordernisse stehen im Zentrum der neuen Selbstveränderungskultur.


NLP und Selbstverwirklichung

Das Neuro-Linguistische Programmieren bietet eine Fülle von Werkzeugen zur Erreichung der Selbstkompetenz.

Kommunikationstraining, Dialogfähigkeit, Konfliktmanagement, Motivationstechniken, Training sozialer Kompetenz stehen im Mittelpunkt der Methode, die im Trainings- und Coachingbereich heute nicht mehr wegzudenken ist.

Die Methode wird allerdings häufig mit der Parole grenzenloses Wachstum = alles ist möglich sowie Vorwürfen hinsichtlich Oberflächlichkeit, Manipulation, Selbstüberschätzung in Verbindung gebracht, was häufig zu Missverständnissen und unberechtigter Kritik gegenüber der Methode NLP führt.

Meiner Meinung nach sind die teilweise auch berechtigten Vorbehalte auf die spezielle Anwendung einzelner NLP-Vertreter zurückzuführen und sollten nicht mit der Methode an sich verwechselt werden.

Aus diesem Grunde möchte ich in diesem Artikel meine persönliche Auffassung zu NLP in Bezug auf Selbstverwirklichung zusammenfassen, was auch die tragende Haltung und Energie in meinen Ausbildungs-Seminaren darstellt.

Selbstmotivation ist ein wichtiger Aspekt, um ressourcenorientiert auf die Herausforderungen des Lebens zuzugehen. Viele Menschen beschränken und begrenzen sich durch limitierende Lebens-Einstellungen sowie reduzierende Selbstzuschreibungen die häufig unbewusst (wie eine fehlerhafte Programmierung) durch Denk- sowie Verhaltensblockaden und Selbstsabotage-Strategien das Leben erschweren und das Erreichen persönlicher Ziele verhindern.

Es ist mir daher wichtig, meinen Teilnehmern Werkzeuge zur Selbstverwirklichung näherzubringen, die sie unterstützen ihr Leben aktiv und erfolgreich zu gestalten. Gleichzeitig ist es aus meiner Sicht auch erstrebenswert, zu lernen mit eigenen Grenzen, persönlichen Niederlagen und Versagenserleben lösungsorientiert umzugehen. Weiterhin ist im Rahmen jeder Expansion des Selbst auch im Rahmen einer „gesellschaftlichen Ökologie“ der zwischenmenschliche interpersonale Aspekt zu berücksichtigen.

Meiner persönlichen Erfahrung entsprechend macht die Veränderungsarbeit am Selbst erst dann tieferen und umfassenden Sinn, wenn ich durch entsprechende emotional/soziale Kompentenz die für mich erreichten Ich-Fähigkeiten auch verantwortlich und lösungsorientiert in die Lebenskontexte einbringen kann, denen ich mich zugehörig fühle. Der Mensch ist ein soziales Wesen wird immer auf ein Gegenüber angewiesen sein, um sich selbst zu erkennen,  neue Verhaltensweisen zu erlernen und in seiner Persönlichkeit zu wachsen.

Psychologisches Entwicklungsmodell des Selbst im NLP

•    Selbstbewusstsein:
Das meint, durch Reflexion und Exploration eigener bisher unbewusster Bereiche, sich mehr und mehr bei sich selbst auszukennen. Selbstbewusstsein wörtlich genommen = sich seiner selbst bewusster zu werden, speziell der Aspekte und Anteile des Selbst, die bisher stark unterdrückt bzw. verdrängt wurden

•    Selbstsicherheit:
Wenn ich mir selbst bewusster geworden bin und mehr und mehr bei mir selbst ankomme,  meine Stärken sowie meine Schwächen kennenlerne,  werde ich automatisch meines Selbstes sicherer. Ich bin mir sicherer, wo ich herkomme (Vergangenheit), wo ich stehe (Gegenwart) und wohin ich möchte (Zukunft).

•    Selbstakzeptanz
Nachdem ich z.B. mehr und mehr wesentliche Strebungen, Wünsche, Bedürfnisse, Ängste und die dahinterstehenden Motive/Absichten kennengelernt habe, kann ich mehr und mehr allen Anteile meiner Persönlichkeit den Raum geben, der ihnen zusteht. Die vorherige Notwendigkeit zur Abwehr und Verdrängung abgelehnter Anteile wird weniger.

•    Selbstverantwortung
Durch die Bewusstmachung früherer Prägemuster und Selbstkonzepte eröffnet sich mir der Weg, die Entscheidung zu treffen, Altes, Überlebtes hinter mir zu lassen, mich mit meiner Vergangenheit auszusöhnen, um die bisher durch unbewältigte Vergangenheit gebundene Lebensenergie für die Gestaltung meiner Gegenwart und Zukunft einzusetzen, das meint, Verantwortung für mich und mein Leben zu übernehmen.

•    Selbstverwirklichung
Indem ich meine Stärken nutze, sie weiterentwickle und meine Schwächen soweit notwendig verändere/auflöse, kann ich  in angemessener Weise der Lebenskraft in mir mehr Raum geben, um den Weg im Leben zu gehen, den ich in der Tiefe meines Wesens schon lange gehen möchte. Einerseits aktiv das Leben mitzugestalten, andererseits das in Würde zu tragen, was unvermeidlich ist und vor allem, das eine von dem anderen unterscheiden zu können.

•    Selbsttranszendenz

Wenn ich nach und nach im Rahmen meiner Bestrebungen einer Ich-Psychologie mehr und mehr bei mir selbst angekommen bin, stellt sich die Frage nach der Wir-Psychologie bzw. einer systemorientierten Grundhaltung. Tragende Idee könnte sein, sich z.B. als starkes autonomes Ich freiwillig zu öffnen, sich  hinzugeben an ein größeres Ganzes, ob gesellschaftlich oder spirituell, das sei jedem selbst überlassen.

Ausblick und Vision:
Ein attraktives Ziel für ressourcenorientiertes Leben könnte sein, ein Ich zu entwickeln, welches in der Lage ist, einerseits den eigenen Platz bestmöglich einzunehmen, andererseits sich verantwortlich in einem größeren sozialen Rahmen einzubringen; selbst etwas gilt, dabei gleichzeitig auch andere gelten lassen kann, anstatt einseitig machtorientiert, die entwickelten Ich-Kräfte zum Nachteil Anderer zu missbrauchen.

Bernhard Tille, Institut für Kommunikation und Gesundheit