Alkohol ist ein Sanitäter in der Not….singt Herbert Grönemeyer in einem Lied. Ja, Alkohol kann beruhigen, Ängste und Hemmungen abbauen, anregend und stimmungssteigernd wirken, wenn in geringer Menge genossen.

Bei höheren Dosierungen kann diese wohltuende Wirkung jedoch auch schnell Aggressionstendenzen und Gewalttätigkeit verstärken und bei hoher Intoxikation sogar in komatöse und lebensbedrohliche Zustände (Komasaufen) übergehen.

Alkoholkonsum ist, im Gegensatz zu anderen psychotropen Substanzen wie z.B. Cannabis, Kokain etc., gesellschaftlich und rechtlich akzeptiert. Alkoholische Getränke sind in allen europäischen Ländern für nahezu jedermann unbegrenzt verfügbar, der Staat verdient mit am Alkoholkonsum.

Das aktuelle Jahrbuch Sucht der Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen
, stellt fest: die deutschen Bürger trinken seit Jahren zu viel Alkohol; umgerechnet ca. 10 Liter reinen Alkohol konsumiert jeder Bundesbürger im Jahr durchschnittlich.

Die statistischen Zahlen hinsichtlich krankhafter Alkoholabhängigkeit sind nicht einheitlich, da die Dunkelziffer hoch ist; man spricht offiziell von 1,5 Millionen Alkoholkranken in Deutschland, in manchen Darstellungen wird auch von bis zu 3 Millionen ausgegangen.

Festgestellt wurde weiterhin: jeder fünfte deutsche Bürger konsumiert Alkohol übermäßig, d.h. betreibt einen gesundheitsgefährdenden Alkoholkonsum (Alkoholabusus). Die Grenzwerte für einen gesundheitlich risikoarmen Konsum werden mit ca. 20 Gramm reinem Alkohol bei Frauen und ca. 30 Gramm bei Männern angegeben. Die etwas höhere Toleranz bei Männern basiert auf einer besseren Verstoffwechselung des Alkohols in der Leber (solange sie noch gesund ist).

Wenn z.B. ein Wein 10% Alkohol hat, beträgt der reine Alkohol bei einem Liter Wein 100 Gramm; entsprechend enthält das vielzitierte „Viertele“ dann 25 Gramm reinen Alkohol. Wer täglich mehr Alkohol zu sich nimmt riskiert langfristig erhebliche Gesundheitsschäden.

Die gesundheitlichen Schäden durch risikoreichen Alkoholkonsum
können vielfältig sein und reichen von Zellschädigungen in nahezu allen Organsystemen mit unterschiedlichen Krankheitsbildern (z.B. Hepatitis, Polyneuropathie, Stoffwechselveränderungen) bis hin zu psychischen Störungen (Stimmungsschwankungen, Angstzuständen, Depressionen).

Ein anderes Thema ist das Risiko der Alkoholsucht.
Sie tritt im Allgemeinen auf, wenn ein langzeitig erhöhter Alkoholkonsum und die individuelle genetische Disposition ungünstig zusammenwirken.

Alkoholsucht wird nach der ICD 10 (Internationalen Klassifikation von Erkrankungen) diagnostiziert, wenn mindestens drei der nachfolgend aufgeführten sechs Kriterien der „Diagnostischen Leitlinien für das sogenannte „Abhängigkeitssyndrom“ erfüllt sind:

  • starker Wunsch oder Zwang, Alkohol zu konsumieren
  • verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Alkoholkonsums
  • das Auftreten körperlicher Entzugssymptome
  • Toleranzentwicklung im Leberstoffwechsel; Folge davon ist, dass die Trinkmenge erhöht werden muss, um die ursprüngliche Wirkung zu erzielen
  • Fortsetzung des Alkoholkonsums trotz nachweisbarer eindeutiger schädlicher Folgen körperlicher, sozialer oder psychischer Art
  • Vernachlässigung früherer Interessen zugunsten des Alkoholkonsum.

Die Alkoholsucht kann modellhaft in 4 Verlaufsphasen dargestellt werden:

1.   Präalkoholismus (Voralkoholische Phase)
•    Trinken zum Spannungsabbau
•    Alkoholtoleranz ist erhöht
•    Nachlassen von seelischer / psychischer Belastbarkeit

2.  Prodromalphase (Anfangsphase)
•    heimliches Trinken (Schuldgefühle; Alkohol wird zum zentralen Lebensinhalt)
•    amnestische Lücken (Gedächtnislücken, Filmriss)
•    weitere Toleranzerhöhung, „gieriges Trinken des ersten Glases“

3.  Kritische Phase
•    starke psychische und physische Abhängigkeit mit Entzugserscheinungen
•    beginnendes morgendliches Trinken
•    starkes Verlangen nach der Substanz
•    Toleranzverminderung (verträgt nicht mehr so viel), beginnende Leberzirrhose
•    körperliche Folgeschäden, beginnende Wesensveränderung
•    soziale und berufliche Schwierigkeiten, Verbergen von Krankheitssymptomen

4.  Chronische Phase
•    regelmäßiges morgendliches Trinken
•    starke psychische und physische Abhängigkeit
•    gehäufte Kontrollverluste und tagelange Rauschzustände
•    schwere Entzugserscheinungen
•    körperlicher und geistiger Abbau.

Psychische Hintergründe erhöhten Alkoholkonsums

Angesichts dieser dramatischen Aspekte stellt sich die Frage: Wieso konsumieren Menschen, trotz des Wissens um die Gefährdung, in realtiv naiver Weise eine so gesundheitsschädliche Substanz gewohnheitsmäßig?

Ein Grund mag sein, wie schon bei Wilhelm Busch nachzulesen: Wer Sorgen hat, hat auch Likör (Konflikttrinker). Aber haben z.B. die Deutschen langfristig so viele Sorgen, dass jeder 5. (laut Statistik) säuft oder vornehmer gesagt Alkoholabusus betreibt?

Vielleicht ist es sinnvoll, in diesem Zusammenhang die sprachliche Verwandschaft von „Sucht“ und „Suche“ zu betrachten.

Stellen wur uns vor, da lebt ein Mensch in einer glücklichen Partnerschaft, eingebunden in ein tragfähiges soziales System (Freunde, Nachbarn etc.) mit einer befriedigenden beruflichen oder auch ehrenamtlichenTätigkeit, einem ausfüllenden Hobby, in Verbindung mit gelebten spirituellen Aspekten: besteht da eine hohe Motivation zum chronischen Alkoholmissbrauch?

Nebenbei erwähnt: alle diese wichtigen Lebensaspekte drohen im Rahmen einer Alkoholerkrankung vollständig zerstört zu werden.

Auffällig ist die Zunahme des Alkoholproblems bei Jugendlichen und alten Menschen. Warum wohl?

Wenn der Lebenssinn verloren geht bzw. sich erst gar nicht entfalten kann, kommt Jonny Walker immer häufiger und immer früher am Tag (Werbespruch eines Whiskey-Herstellers in den 70-ern: „Der Tag geht…Jonny Walker kommt“).

Aber auch bei dem überlasteten Berufstätigen, dem die Work-Life-Balance verloren gegangen ist, die Zukunftsangst im Nacken sitzt, besteht die Gefahr, dass sich nach und nach die Sinnhaftigkeit des eigenen Seins verabschiedet, und der Alkohol sich dann als schnelle und praktische Hilfe anbietet.

Das betriftt jedoch genauso den Menschen der aufgrund von Langeweile z.B. bei Arbeitslosigkeit oder großer alltäglicher Routine am für ihn falschen Arbeitsplatz seine Lebensfreude verliert und dann im Stoff seinen Motivationsschub für gute Gefühle sucht, um zumindest für ein paar Stunden in einem „Ersatzflow“ zu sein.

Prävention von Alkoholerkrankungen

Da eine Alkoholerkrankung mit Sicherheit die persönliche Lebenslage dramatisch verschlechtert, eine Alkoholentwöhnungsbehandlung langwierig und teuer ist, hat die Prävention einen hohen Stellenwert.

Jeder sollte sich rechtzeitg bewusst machen, wie notwendig ein sinnvoller Umgang mit Alkohol für ihn persönlich aussehen kann. Wichtig dabei ist zu wissen: Alkohol kann nie Ersatz für Leben sein.

Sinn und Erfüllung müssen in anderen Aktivitäten gefunden werden. Wenn ein Mensch seine persönlichen Ziele erreichen und ein ressourchenreiches Selbstkonzept entwickeln kann, das Gefühl hat, in seiner Persönlichkeit zu wachsen, das eigene Leben einigermaßen gelingt, das alltägliche Tun positive Feedbacks bringt und Freude macht, hat der Alkohol nur geringe Chancen.