In der Dualität unserer Welt besteht, grundsätzlich alle Bereiche des Lebens betreffend, einerseits die Forderung zur Bejahung unseres Eigenseins, durch Abgrenzung und

Autonomiebestreben, auf dass wir eine unverwechselbare Persönlichkeit werden können, andererseits entgegengesetzt, die Forderung nach Gemeinsamkeit, Dazugehören, Bindungen einzugehen, sich vertrauend zu öffnen, um Nähe, Hingabe und Liebesfähigkeit zu erfahren.

Diese paradoxe Situation zu meistern, stellt eine große Herausforderung betreffend die persönliche und gesellschaftliche Entwicklung dar. Die Gefahr, sich einseitig zu orientieren ist unübersehbar, d.h. im Vermeiden jeder vertrauten Nähe, aus Angst vor dem Wir der totalen Verschmelzung in die persönliche Isolierung zu gehen oder entgegengesetzt, die trennende Distanz zum Anderen soweit aufzuheben, dass symbiotische Abhängigkeit und der Verlust von Eigenständigkeit droht.

Diese beiden gegensätzlichen Grundimpulse menschlichen Seins stellen neben ihrer Konflikthaftigkeit jedoch auch die Möglichkeit zur Ausbalancierung und persönlichen Entwicklung dar. Jedem Menschen begegnet in der Abgrenzung die Angst vor Einsamkeit genauso wie in der vertrauensvollen Hingabe die Angst vor Verletzlichkeit. Es ist daher wichtig, in dem Streben nach Selbstbewahrung, die Seite der Hingabe nicht zu vernachlässigen und umgekehrt in dem Streben nach einfühlender Gemeinsamkeit, einen Anteil gesunder Distanz beizubehalten (Literaturhinweis: Fritz Riemann: Grundformen der Angst).

Die menschliche Grundfrage von Nähe und Abgrenzung ist besonders in allen beratenden und helfenden Berufen Thema. Unzweifelhaft ist hier empathische Fähigkeit zur Beziehungsgestaltung gefordert, gleichzeitig ist ohne wirksame Abgrenzung das Helfersyndrom vorgezeichnet oder besser Ausgedrückt das Syndrom des falschen Helfens.

Hier eine Kurzgeschichte aus dem Internet: Du spazierst durch einen ziemlich einsamen Wald und hörst irgendwo lautes Hilfegeschrei. Du siehst, dass eine Frau ziemlich verletzt in einer 3 Meter tiefen Grube liegt. Du denkst – Um Gottes Willen, die arme Frau, springst rein und leistest Erste Hilfe, tröstest und sprichst ihr Mut zu. Und nun? Vor lauter Mitleid hast Du nicht daran gedacht, dass es Dir jetzt ebenso dreckig geht wie der Frau. Du sitzt nämlich fest, kommst selbst nicht raus und musst selbst um Hilfe schreien, bis Dich irgendjemand hört. Wenn sich alle so verhalten würden, sitzen irgendwann 10 Leute in der Grube und schreien um Hilfe. Fazit: Ein Helfer, dem es selbst nicht gut geht kann nicht mehr helfen.