In der Schicksalsgemeinschaft einer Familie wirken tiefe, seelische Bindungen, die mehrere Generationen zurückreichen können und die unser persönliches Schicksal, meist unbewusst, stärken oder schwächen.

Wenn Menschen negative Erfahrungen nicht oder kaum bewältigen können, entstehen psychische Probleme und seelische Konflikte. Solche Überforderungen und “Traumatisierungen” werden insbesondere durch dramatische Ereignisse (z.B. plötzliche Todesfälle) oder lang andauernde soziale Stresssituationen hervorgerufen (z.B. sexueller Missbrauch, Alkoholismus der Eltern). 

Traumatisierende Erfahrungen werden häufig unbewusst innerhalb des eigenen Familiensystems weitergegeben. Manche Ereignisse in einem Familiensystem, wie z.B. früher Tod eines Elternteils oder eines Geschwisters, wirken lange nach. Belastende Erfahrungen der Eltern (z.B. Trennung von früheren Partnern) wirken auf die Kinder fort.

Denn in der Tiefe hat jedes Kind primär eine liebevolle Verbindung mit seiner Familie. Durch diese Bindung ist es auch vor familiären Belastungen kaum geschützt, so dass es die ungelösten Schwierigkeiten seiner Familie mit trägt. So entstehen über mehrere Generationen hinweg  unbewusst Wiederholungen von Ereignissen, die Leid und Unglück erzeugen.

Die Beteiligten geraten dadurch in tiefe seelische Verstrickungen und können sich nur schwer aus solchen belastenden und zuweilen sogar verwirrenden Schicksalsverbindungen lösen. Schwere seelische Konflikte sind die Folgen und münden in Verhaltensweisen, Gefühlen und Wertvorstellungen, die dem Familiensystem verdankt und durch herkömmliche Therapien, Körperarbeit und Meditation kaum aufzulösen sind. 

Das Familienstellen veranschaulicht solche familiären Verstrickungen unmittelbar.

Anschaulich werden dabei die Grundmuster und Beziehungen aller relevanten Familienmitglieder, deren Dynamik untereinander geklärt und deren Verstrickung gelöst werden soll. Eine gute Lösung ist gegeben, wenn jedes Familienmitglied den ihm gebührenden Platz im System einnimmt und angemessene Würdigung erfahren kann.

Im Gegensatz zum verbreiteten Missverständnis geht es dabei keinesfalls darum, eine mechanistische Technik anzuwenden, die sich unterschiedslos vermeintlich festgelegter, von Hellinger vorgegebener Formeln bedient. Vielmehr soll eine Haltung vermittelt werden, die  befähigt, jenseits von Moral und Vorurteil Einvernehmen zu finden mit der Welt so, wie sie ist.

Durch Schauen und Horchen in dem >wissenden FeldDas Familienstellen nach Hellinger ist einer phänomenologische Sicht verschrieben, also einer Sicht, die jenseits von subjektiven Absichten und Bestrebungen die grundlegenden Phänomene unseres Daseins berücksichtigt. Werden diese grundlegenden Prinzipien missachtet, entstehen Leid und leidvolle Schicksale.

Die Phänomenologie hat eine philosophische Tradition, besonders die Namen Husserl und Heidegger sind mit ihr verbunden. Diskutiert wird dabei die Frage, wie es gelingen kann, subjektive Ansichten hinter sich zu lassen und Einsicht in die Phänomene oder Ordnungen unseres Daseins zu gewinnen; wissenschaftlich oder intuitiv, deduzierend oder beschreibend usw. In der philosophischen Debatte hat sich deutlich die Anschauung durchgesetzt, dass eine unmittelbare Einsicht in die Prinzipien unseres Daseins nicht möglich ist.

Hellinger dagegen betont das Phänomen des primären liebevollen und abhängigen Bezuges des Kindes zu seiner Familie; dieser Bezug ist jedem Menschen bekannt und jeder hat intuitiven Zugang zu ihm. Dieser Bezug ist von einem notwendigen Geben und Nehmen bestimmt – des Kindes zu den Eltern und der Geschwister untereinander. Dieses Gegen und Nehmen kann aus der Ordnung geraten, wenn etwa das Kind versorgende Aufgaben für die Eltern übernehmen muss usw.

Das Familienstellen macht die grundlegenden Bezüge eines Systems deutlich und seine Ordnung, der es heilsam bedarf.

Wissendes Feld: Weil jedem Menschen der primäre Familienbezug bekannt ist, können in der Familienaufstellung Stellvertreter die grundlegenden Bezüge auch einer anderen, ihnen unbekannten Familie intuitiv erfassen.
Gegenstand der Intuition sind nicht die gedankliche Welt oder die subjektiven Mutmaßungen der Stellvertreter, sondern deren unmittelbares Empfinden in der Aufstellung zueinander. Das Erkennen geschieht nicht am Einzelnen, sondern entsteht mit den Bezügen in der Gruppe: das Feld weiß mehr als der Einzelne.
Der Leiter der Aufstellung greift dieses Feldwissen auf und macht es für alle sichtbar, sowie die Verstrickungen des Systems deutlich. Er entwickelt mit Unterstützung der Stellvertreter und Einbringen von Lösungselementen eine Systemordnung, der es heilsam bedarf.

Schwere Schicksale: Jenseits allgemeinen Familienstrukturen (Zugehörigkeit, Rangfolge etc.) können auch besondere Muster wirken, die durch schwere Schicksale im familiären System geformt werden, etwa früher Eltern- oder Kindestod, Ausgrenzungen oder Trennungen, schwere Krankheiten oder Kriegsschicksale.

Hinwendung Das Erkennen der Ordnungen bringt uns in einen tiefen, bewegenden Kontakt mit dem Menschlichen und ermöglicht uns schicksalhafte Ereignisse, Begrenzungen, Ordnungen und Bindungen anzunehmen.

Mit Familienaufstellungen kommen Verstrickungen ans Licht. Aus der Einsicht in die unbewusst vorhandenen seelischen Bindungen ergeben sich Lösungsmöglichkeiten aus solchen Verstrickungen, zum Beispiel durch die vollzogene Hinwendung zu einer ausgegrenzten Person mit Liebe und Achtung. Die Würdigung vorangegangener Schicksale wird als spürbare Entlastung erlebt. Eine neue Ordnung entsteht, die stärkend wirkt, und der Mensch wird frei für seinen Weg.

Durch das Miterleben und die Stellvertretung in fremden Familienbildern findet ein ständiger Erfahrungs- und Lernprozess statt, bei dem sich zusätzlich neue Perspektiven für die eigenen Beziehungszusammenhänge eröffnen.

In welchen persönlichen Lebenssituationen können Aufstellungen z.B. Sinn machen?

•    Für Erwachsene, die noch mit den Eltern oder Geschwistern grollen, kämpfen oder mit ihnen im Zwist leben

•    Einzelne und Paare, die Verständnis und Lösungen für Beziehungskrisen suchen

•    Einzelne und Paare, die Lösungsmöglichkeiten in schwierigen Lebenssituationen erkennen möchten

•    Einzelne und Paare, die Entscheidungsfragen klären wollen, wie Familiengründung, Trennungs- oder
Scheidungssituationen

•    Als langjähriger Single mit dem Wunsch auf Partnerschaft

•    Bei besonderem oder schwerem Schicksal, wie z.B. Adoption, Krankheit, Suchtverhalten, „Patchwork”- und Stieffamilien

•    Bei auffälligem Verhalten der Kinder 

•    Im Abschied nach dem Tod eines Nahestehenden

•    Zur Zielfindung bei Unsicherheit und zur Neuausrichtung im Leben 

•    Zur Werte- und Sinnfindung

•    Bei starken selbstschädigenden Verhaltensweisen und Sabotagestrategien

•    Bei seelischer Traumatisierung durch Familienangehörige

Zur Vorgehensweise des Familienstellens in einer Gruppe
In einem Vorgespräch mit dem Therapeuten und vor der Gruppe klärt der Klient sein Anliegen. Der Therapeut achtet darauf, dass dieses Anliegen ernsthaft und nicht lediglich im intellektuellen Interesse vorgebracht ist.

In dem Vorgespräch sollten die Beschwerden des Klienten deutlich werden, vor allem aber auch seine Bereitschaft Klarheit und Eindeutigkeit gewinnen, sich gegenüber den Dynamiken seines familiären Systems zu öffnen. Der Therapeut beleuchtet weiterhin die familiäre Struktur und bittet den Patienten, die Familienmitglieder zu benennen und mitzuteilen, ob ihm schwere Schicksale in der Familie bekannt sind.

Es wird herausgearbeitet, welche Familienmitglieder für den Klienten relevant sind und mit seinen Beschwerden verknüpft scheinen. Diese Familienmitglieder werden aufgestellt. Sollte sich im Verlaufe der Aufstellung zeigen, dass weitere Familienmitglieder Bedeutung gewinnen, können diese nachträglich aufgestellt werden.

Beim Familienstellen wählt der Klient aus einer Gruppe von Teilnehmern Stellvertreter für die ausgewählten Mitglieder seiner Familie, auch für sich selbst und stellt sie räumlich in Beziehung zueinander.

Die Stellvertreter lösen sich, soweit ihnen dies möglich ist, von ihrem „Alltagsbewusstsein“, d.h. sie sind ohne eigene Absichten, bieten sich als Resonanzfläche an und erkunden die Grundgefühle im aufgestellten System. Dabei erfahren die Stellvertreter, dass sie, sobald sie an ihrem Platz stehen, ähnlich empfinden wie die Personen, die sie vertreten. So gelangen verborgene Beziehungen zu einem anderen Mitglied der Familie ans Licht. 

Die Stellvertreter teilen unter Anleitung des Therapeuten ihre Wahrnehmungen und Gefühle mit und treten in Austausch miteinander. Im folgenden Ablauf werden für die Stellvertreter und den Aufstellenden vorteilhaftere Positionen im familiären System gesucht. Hierbei werden die Stellvertreter durch Nachfragen des Therapeuten hinsichtlich ihrer Befindlichkeit reflektiert und vorsichtig geführt.

Nachdem im System zu einer neuen heilsamen Ordnung gefunden wurde, kann der Aufstellende seine eigene Position einnehmen und sich auf dieses neue Bild einlassen. Dies wirkt als ganzheitliche Erfahrung auf vielen Ebenen gleichzeitig. Häufig sind lösende Sätze notwendig, die der Therapeut vorschlägt; diese dienen der Orientierung im System und ermöglichen die Zustimmung zum neuen Bild. Oft wirkt das erreichte Bild noch lange nach und verschiedene neue stärkende Aspekte treten in Erscheinung.

Die Familie als eine systemische Einheit zu akzeptieren heißt, mit der Familie einen lebendigen Organismus zu würdigen, wobei jedes Mitglied ein essentieller Teil, eine Ressource und deswegen entscheidend für ein befriedigendes Verhalten des ganzen Organismus Familie ist.

Um die verantwortungsvolle Arbeit im Bereich der Familienaufstellungen sicher durchführen zu können, bedarf es einer qualifizierten Ausbildung in der Methode der  systemischen Arbeit.