Menschen reden häufig aneinander vorbei, ohne das dies den Betreffenden bewusst ist. Das hat folgende Hintergründe: Menschen können mit dem, was sie sprachlich mitteilen, nicht ihre gesamte relevante Erfahrung ausdrücken, sondern immer nur einen Ausschnitt aus der Gesamtheit.

Da Sprache somit Ausdruck des subjektiven momentanen Erlebens ist, sind Informationen immer unvollständig. In der Kommunikationspsychologie unterscheidet man die Oberflächen- und die Tiefenstruktur der Sprache. Die Tiefenstruktur ist so komplex, daß der Sprecher gezwungen ist, eine Auswahl ( Filterung ) von dem, was er sagen will, zu treffen. Was nicht in diese Auswahl fällt, kommt nicht zu Wort (Leerstelle), ist aber dennoch für das Gespräch entscheidend, da der Sprecher diese unbenannten Dinge als gemeinsame Basis zwischen den Gesprächspartnern voraussetzt.

Da der Hörer jedoch in der Regel ein anderes Lebens- und Denkmodell über die Welt besitzt, wird er die Leerstellen ( also das vom Gegenüber nicht Gesagte, sondern als gemeinsam Vorausgesetzte ) sowie die unspezifischen Aussagen aus seinem Denkmodell ausfüllen.

Diesen Vorgang bezeichnen wir als Interpretation. Und dies passiert häufiger als wir uns vorstellen können:

Wenn nicht exakt nachgefragt wird, bringt dies die Gefahr mit sich, daß die Aussage falsch verstanden wird und zudem ein Bedeutungsschatten auf das Gesagte vorher und nachher geworfen wird. Im extremsten Fall sprechen beide Beteiligte von völlig unterschiedlichen Dingen.

Erstaunlicherweise sind die meisten Menschen bereit, unbewußt der Einladung zur Halluzination und Interpretation Folge zu leisten anstatt nachzufragen.

Vorsichtig geschätzt werden 60% der Zeit, die Konferenzen dauern verschwendet, weil vieles, was gesagt wird, für das Ergebnis irrelevant ist. Hiermit soll nicht ausgedrückt werden, daß die irrelevanten Beiträge Unsinn sind. Für den Gedankengang des Sprechers ist es in der Regel relevant, sonst würde er es wahrscheinlich nicht sagen.

 

Beispiel:

In der Konferenz geht es über die Kampagne X für das Produkt Y und ein Mitarbeiter aus der Marketingabteilung sagt:“ Können Sie sich überhaupt vorstellen, was wir mit dem Produkt Z machen könnten?“

Es ist eine großartige Idee, wundervoll, kreativ aber völlig irrelevant in dem Zusammenhang.

Wenn man diese erste irrelevante Bemerkung nicht hinterfragt, löst das Gesagte bei den Hörern einen Schwall freier Assoziation aus. Man wird einige Zeit brauchen, um die Teilnehmer zu veranlassen, sich wieder auf den vorgegebenen Rahmen zu reorientieren. (Falls Sie skeptisch sein sollten, daß dies möglich sei, schauen Sie sich gelegentlich eine politische Debatte im Fernsehen an).

Sinnvoll ist es daher, vor Beginn einer Sitzung einen Zustimmungsrahmen explizit zu machen, der vorweg aussortiert, was relevant oder irrelevant ist.

Dieser Zustimmungsrahmen wird für alle sichtbar z.B. auf einem Flip–Chart postiert. Der Moderator der Sitzung braucht bei auftauchenden irrelevanten Bemerkungen nur auf die Wandtafel zu deuten und zu hinterfragen, in welchem Bezug die Bemerkung zum vereinbarten Zustimmungsrahmen steht.

Zielorientiert nachfragen

Schwieriger ist es, in Gesprächen, die spontan entstehen und mit starker Emotionalität geführt werden, sich vor sprachlichen Mißverständnissen zu schützen.

Speziell die Vermischung von Tatsachen mit Vermutungen, Hypothesen, Interpretationen sowie verdeckter Regel und Urteile und Generalisierungen stellen sich als Gesprächskiller dar.

Auszug aus einem „Kritikgespräch“ (der Hintergrund war die Weigerung des Mitarbeiters, überraschend angesetzte Überstunden ohne Einschränkungen zu akzeptieren) :

„Offensichtlich sind Sie nicht bereit, sich voll in die Firma einzubringen. Alle Kollegen sind auch meiner Ansicht. Das kann so nicht weitergehen. Wer A sagt, muß schließlich auch B sagen. Ihr Vorgänger hatte da eine ganz andere Verhaltensweise. Schließlich ziehen wir doch alle am selben Strang. Jetzt bleibt alles wieder an mir hängen. Sie machen mich ärgerlich und traurig. Das hat doch alles keinen Sinn mehr“.

Die gleiche Gefahr der Vermischung von Tatsachen, Vermutungen, Hypothesen, Interpretationen, verdeckter Regel, Urteile und Generalisierungen besteht auch in unserem eigenen Denken.

Auszug aus einem erfundenen Gedankengang:

„Oh je, da hab ich ja wieder mal total danebengehauen. Es ist einfach wie verhext. Seit meiner letzten Kündigung reißt meine Pechsträhne nicht mehr ab, Ich komme einfach nicht mehr auf die Füße. Alle anderen meistern Ihr Leben doch ganz selbstverständlich. Irgendwie habe ich das Gefühl, daß alle gegen mich sind. Das wird ja alles immer schlimmer. Schon in der Schule hab immer ich die Prügel eingesteckt. Wenn das so weitergeht, bin ich bald am Ende. Das halte ich einfach nicht mehr aus.“

Diese Art von sprachlicher Verzerrung der „Wirklichkeit“ bringt im ersten Beispiel des Kritikgespräches mit Sicherheit keine konstruktive Lösung sondern öffnet Mißverständnissen Tür und Tor, im zweiten Beispiel des Selbstgespräches kann sich jeder vorstellen, über welche Lebensenergie und Motivation ein Mensch verfügen wird, der diese oder ähnliche Kommentare auf seinen inneren Tonbändern immer wieder abspult und auch anhören muß.

In der Kommunikation ist häufig zu beobachten, daß viele Menschen bewußt oder auch unbewußt geneigt sind, sich in Worthülsen ohne konkrete Bedeutung zu verlieren. Dies hat folgende Hintergründe:

1.         Wenn man sich nicht exakt festgelegt hat, kann man auch nicht
zur Verantwortung gezogen werden ( „Das habe ich so nicht gesagt“)

2.         Wenn man sich unklar ausdrückt, kann hinterher immer
Recht haben („Das habe ich anders gemeint“)

3.         Wenn man Platz für Interpretationen und Halluzinationen läßt, kann man den
anderen Hinterher leichter ins Unrecht setzen (Sie haben nicht richtig
zugehört, ………….mich falsch verstanden)

Der Sprachkompass als Hilfsmittel zu Klarheit der subjektiven Bedeutungen

Als Hilfsmittel zur Auflösung dieser Verformungen von Sprache dient der Sprachkompass. Er soll diese halluzinativen Prozesse und Interpretationen beseitigen helfen oder erst gar nicht entstehen lassen. Der Sprachkompass ermöglicht eine klare und effektive Kommunikation, die zielgerichtet eingesetzt zuverlässige Lösungen herbeiführt. Stellen Sie sich hierzu vor, wie wichtig klare, eindeutige Kommunikation im Landeanflug zwischen Flughafen und Tower ist.

Norden:
Klare, nachprüfbare, Aussagen:

–          Es ist jetzt 12.00 Uhr

–          Ich lade Sie heute Abend zum Essen ein.

–          Der Kundentermin morgen in Hannover fällt aus

–          Unsere Abteilung wurde zuletzt informiert

–          Die Reklamationsabteilung hat den höchsten Krankenstand.

–          Ich bin mit Ihrem wiederholten Zuspätkommen nicht einverstanden

–          Ich erwarte Sie morgen um 8.00 Uhr am Arbeitsplatz

–          Unsere Umsätze sind im letzten Monat um 5% gestiegen

Alle der folgenden Aussagen sollen entsprechend „eingenordet“ werden, um die subjektiven Bedeutungszusammenhänge klarzustellen.

Süden:
Unvollständige Aussagen (Auslassungen), die Vermutungen, Hypothesen und Interpretationen enthalten, jedoch als Tatsachen dargeboten werden:

–          Wir erfahren als letzte von dieser Neuerung, wir sind wohl unwichtig für die
Firmenleitung

–          Etwas zu ändern heißt unnötige Risiken eingehen

–          Bedauerlicherweise herrscht hier kein gutes Betriebsklima

–          Ich darf mich da nicht einmischen

–          Mich zu entschuldigen fällt mir schwer

–          Der letzt Rundbrief beunruhigt mich

–          Diese Aktion gefällt mir weniger gut

–          Kunden gegenüber muß man sich akzeptabel verhalten

–          Die Firma erwartet höchsten Einsatz

–          Wenn mich jemand kontrolliert, werde ich völlig konfus

Der Hörer dieser Aussagen muß, falls er sie so akzeptiert und nicht die Tiefenstruktur hinterfragt, den Aussagen eine subjektive Bedeutung geben, da die Oberflächenstruktur der Aussage unvollständig ist. Und diese Bedeutungsgebung ist dann beliebig.

 

Um nicht interpretieren und halluzinieren zu müssen, ist es notwendig, die Tiefenstruktur zu hinterfragen. Erfragen Sie die wichtigen Details, um sich ein objektives Bild machen zu können. Des weiteren soll Ihre Frage den Gegenüber veranlassen, eine vorher ausgeschlossene Lösungsmöglichkeit aus eigener Einsicht zu entwickeln (ziel– und lösungsorientiert).

–          Wie müßte sich die Firmenleitung verhalten, damit Sie sich wichtig genommen fühlen?

–          Bei welchen Änderungen genau befürchten Sie welche Risiken?

–          Woran würden Sie ein gutes Betriebsklima erkennen?

–          Was würde Ihrer Meinung nach passieren, wenn Sie sich einmischen würden?

–          Was genau ist Ihre Schwierigkeit daran?

–          Was genau beunruhigt Sie?

–          Was haben Sie daran auszusetzen?

–          Was genau verstehen Sie unter akzeptabel?

–          Woran würden Sie erkennen, daß ich meinen höchsten Einsatzbringe?

–          Können Sie sich irgend eine Form der Kontrolle vorstellen, bei der Sie sich nicht
konfus fühlen würden?

–          Welches Gefühl möchten Sie haben, wenn Sie kontrolliert werden?

Die Beispiele mögen auf den ersten Blick selbstverständlich klingen. Falls Sie dieser Meinung sind, lade ich Sie ein, in den nächsten Tagen in Unterhaltungen sich wieder an den Sprachkompass zu erinnern. Sie werden erstaunt sein, was Sie alles entdecken können.

Osten:
Generalisierungen: von einem Erfahrungsbereich ausgehend wird auf alle anderen Möglichkeiten verallgemeinert. Ausnahmen, Einzelerfahrungen werden nahezu ausgeschlossen.

–          Die Kollegen haben überhaupt nichts kapiert

–          Auf uns hört nie jemand, wenn Neuerungen eingeführt werden

–          Immer trampeln alle auf mir rum

–          Alle Arbeitgeber sind Ausbeuter

–          Jedem wird geholfen, nur mir nicht

–          Niemals werden die Interessen der weiblichen Mitarbeiter berücksichtigt

–          Da gibt es keine Möglichkeit mehr

–          Das ist völlig ausgeschlossen

–          Das kann man doch von jedem Menschen verlangen

–          Die meisten Menschen denken nur an sich

Veranlassen Sie den Sprecher, durch Ihre Frage zu differenzieren und Ausnahmen zu entwickeln. Eine Denkstruktur, die alle Möglichkeiten, in jeder Hinsicht abdeckt, ist häufig einfach unrealistisch. Es ist hilfreich, den konkreten Einzelfall unabhängig von jeder Verallgemeinerung zu betrachten (ziel– und lösungsorientiert).

–          Welche Kollegen haben welche Schwierigkeiten im Speziellen?

–          Von wem genau fühlten Sie sich in der Vergangenheit übergangen?

–           Was hätte damals getan werden müssen, damit Sie sich respektiert gefühlt hätten?

–          Wer hat Sie wann durch was verletzt?

–          Durch welchen Arbeitgeber fühlen Sie sich in welcher Weise ausgebeutet?

–          Welche Hilfe genau wünschen Sie sich von wem?

–          Welche Interessen genau meinen Sie und wann genau wurde gegen welche Interessen verstoßen?

–          Was würde passieren, wenn doch noch eine Möglichkeit auftaucht?

–          Unter welchen Umständen könnten Sie sich noch eine Möglichkeit vorstellen, weiterzumachen?

–          Ohne Ausnahme? Unter allen Umständen?

–          Wie genau müßten sich die Menschen verhalten, damit Sie eine andere Meinung dazu entwickeln könnten?

Westen:
Verdeckte Regeln und Urteile, die wir im Laufe unseres Lebens übernommen haben und häufig für die absolute Wahrheit halten und auch für andere als verbindlich betrachten. In der Regel ist uns dieser Vorgang völlig unbewußt und wir funktionieren nach diesen Regeln und Urteilen, obwohl sie inzwischen inadäquat geworden sind oder zumindest im Einzelfall abzuwägen wären.

–          Wer A sagt, muß auch B sagen

–          Das Leben ist ein ständiger Kampf

–          Es ist doch ganz offensichtlich…….

–          Konflikte muß man vermeiden

–          Der Mensch denkt und Gott lenkt

–          Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm

–          Leid macht stark

–          Nur der Einsame ist stark

–          Geld macht nicht glücklich

Laden Sie den Sprecher durch Ihre Fragen ein, die Herkunft, die Relevanz oder die Auswirkung seiner Aussage selbst zu hinterfragen, damit die vorher betonierte, hinderliche Aussage flexibeler werden kann und damit mehr ziel– und lösungsorientiert.

–          Haben Sie schon einmal Ausnahmen erlebt, wo dies nicht galt?

–          Kampf ohne Unterlass, für jeden, schon immer?

–          In welchem Bereich Ihres Lebens kämpfen Sie am meisten?

–          Für wen und wodurch ist es offensichtlich, daß…….?

–          Was würde passieren, wenn, Sie sich auf diesen Konflikt einlassen würden?

–          Woher wissen Sie das?

–          Woran genau zeigt sich das?

–          Stellen Sie sich vor, alle würden so denken?

–          Haben Sie schon mal eine andere Erfahrung gemacht?

–          Welche Gefahr für Ihr Glück befürchten Sie?

Die richtige Frage führt zur Tiefenstruktur. Der Gegenüber wird sich seiner vorher unbewussten Motive und Denkprozesse bewusst. Der Hörer versteht mehr über das Weltmodell des Gegenübers. So kann Verständigung beginnen und Klärung/Lösung erreicht werden. In einer NLP-Ausbildung werden diese kommunikativen Techniken systematisch geschult.